„Sie sind ja nicht zimperlich.“ mit diesen Worten empfing die Maklerin uns zum Besichtigungstermin. Wir hatten uns schon einige Immobilien in fragwürdigem Zustand mit eben dieser Maklerin besichtigt, daher gingen wir unerschrocken an die Sache heran.
Das Exposé erreichte uns vor vier Jahren kurz vor Weihnachten. Ein kleines, aber freistehendes Haus Baujahr 1935 in einem schnuckeligen Stadtteil Stuttgarts nicht weit von unserer derzeitigen Mietwohnung entfernt. Das Haus war mit seinen vier Zimmern, dem winzigen WC und der etwas ungünstigen Zimmeraufteilung eigentlich nicht gerade das, was wir nun schon seit geraumer Zeit für unsere bald vier Köpfe in der Familie gesucht hatten. Aber irgendwie schien bei diesem Grundstück das Wichtigste – nämlich unser zukünftiges Zuhause in den eigenen vier Wänden – keine so große Rolle mehr zu spielen. Noch bevor wir das Objekt überhaupt gesehen hatten war uns klar: Das ist es! Hier wird es ernst, das ist DIE Gelegenheit, die sich vermutlich nur einmal im Leben bieten wird. Ein Haus in Stuttgart mit einem knapp 6 Ar großen Grundstück in Stuttgart ist nicht nur bildlich gesprochen unbezahlbar.
Wir vereinbarten einen Besichtigungstermin zwischen Weihnachten und Neujahr. Meine Eltern begleiteten uns. Die Maklerin empfing uns mit einem schiefen, unsicheren Lächeln: „Keine Sorge, das Haus wird geräumt übergeben.“ bekräftigte sie, während uns der Eigentümer die Türe öffnete. Der Besitzer passte perfekt in meine Vorstellungen: er trug schlabberige Hosen, ein noch schlabberiges Sweatshirt und darüber einen khakifarbenen Parka. Das Outfit vervollständigte ein ziemlich ungepflegte Vollbart. Er kochte sich in der gammeligen, vollgesopften Küche gerade eine Tasse Kaffee. Kurzum: wir waren in einer Messiehöhle gelandet.
Wie angekündigt waren die 85 Quadratmeter Haus in einem unfassbaren Zustand. Dass das Haus derzeit noch bewohnt war, war kaum vorstellbar. Jeder freie Platz war mit irgendwelchem Krimskrams vollgestopft, überall lagen Papiere, Bücher, Klamotten, ungespültes Geschirr, Bücher herum. Die Zimmer waren eng und man musste sich sehr vorsichtig bewegen, um die unsichtbare Ordnung nicht zu zerstören und womöglich noch etwas zum Einsturz zu bringen. Mein Vater verwickelte den Besitzer in ein Gespräch, meine Mutter kümmerte sich darum, dass unser 2-jährige Sohn nicht allzu viele der interessanten Dinge in die Finger bekam und wir besichtigten mit der Maklerin im Schnelldurchgang das Haus. Die Hausbesichtigung war schnell beendet, denn es gab für uns absolut keinen Zweifel: das muss alles weg! Anschleißend gingen wir in den komplett verwilderten Garten. Unser Sohnemann unternahm sofort voller Freude eine Entdeckungstour im Alleingang. In diesem Moment waren wir uns einig: Für diesen Anblick lohnt es sich zu kämpfen! Da schreckte uns auch der bis unters Dach vollgestopfte Schuppen und der urwaldähnliche Bewuchs des Grundstücks nicht ab. War schließlich alles nichts, was man nicht ändern könnte… Selbst als der Kleine uns zum Schluss freudestrahlend seinen Fund aus dem Garten präsentierte, ließ uns kurz die Luft anhalten: Bis über beide Ohren grinsend hielt er ein ein rostiges Küchenmesser in die Luft, das er soeben aus dem eigentlich gar nicht so sehr verwilderten Teil des Gartens neben der Garage aus der Erde gezogen hatte!
Wir hätten es ahnen können (und insgeheim tat ich das eigentlich auch schon damals, aber wie sehr lässt man sich beeinflussen, wenn man sich gerade frisch in etwas verliebt hat): Das wird schwierig!